Jonny Appetito

 

Unser Jonny ist uns zugelaufen, nicht lange nach Teddys Tod und ich glaube ganz bestimmt, dass es Teddy selbst war, der ihn zu uns geschickt hat, damit ich aufhören konnte, um ihn zu weinen. Jonny hat mir das Lachen zurückgebracht. Trotz Tätowierung war seine Herkunft nicht zu klären - Gott sei Dank!

 

Äußerlich ist er seinen Vorgänger sehr ähnlich, allerdings vom Charakter her ganz anders, und er ist genau so liebenswert wie Teddy. Zu beobachten, wie aus dem halb verhungerten, verwahrlosten kleinen schwarzen Kater unser "König der Straße" wurde, war und ist ein großes Vergnügen. Wir sind sehr glücklich, ihn bei uns haben zu dürfen.

 

Leseprobe:

 

König Jonny

 

Zu der Nachbarschaft pflegte Jonny auch ein sehr gutes Verhältnis und er war ebenfalls überall gern gesehen. Er schaute immer mal wieder hier und dort vorbei, wurde aber nie lästig und natürlich wussten auch alle, wohin er gehörte. Daher gab es zwar hier und da mal ein Leckerli für ihn, mehr aber auch nicht.

 

Ganz besonders liebte er Vivi, die hübsche, kleine Tochter unserer Nachbarin, seiner Patentante Anke. Vivi erwiderte diese Liebe von ganzem Herzen und kam häufig herüber, um mit ihm zu spielen. Sobald sie auftauchte, sahen wir unseren Jonny mit fliegenden Fahnen zu ihr hineilen! Dann blieb er auch schon mal länger fort; oft spielten die beiden aber auch in unserem Garten zusammen. Drüben bei Anke und Vivi fühlte er sich ja sowieso wie zu Hause und ließ sich immer dort nieder, wenn wir beide länger unterwegs waren und er menschliche Gesellschaft wollte. So konnten wir ihn Anke und Vivi auch beruhigt anvertrauen, als wir für drei Tage auf die Insel Usedom fahren wollten. Wir wussten, er war bei ihnen in den besten Händen, wurde tagsüber gehegt und gepflegt und abends auch pünktlich ins Haus geholt. Da brauchten wir uns keine Sorgen zu machen. Trotzdem vermissten wir unseren schwarzen Sausewind so sehr, dass wir einmütig beschlossen, vorläufig nicht mehr länger als einen Tag wegzufahren. Wir hatten beide Heimweh - nach Jonny! Als wir von Usedom zurückkehrten, war die Freude riesig - auf beiden Seiten! Jonny hatte uns ebenfalls vermisst; was uns in unserer Entscheidung nur bestätigte.

 

Manfred machte immer gern Späße mit den Kindern, und so erzählte er Vivi eines Tages ganz ernsthaft, dass einige Katzen statt auf vier Beinen zu laufen, davon zwölf besäßen. Zwei hinten, zwei vorn, zwei rechts, zwei links und an jeder Ecke eines, so erklärte er  das. Etwas verunsichert sah Vivi mich an, und ich schlug mich natürlich auf ihre Seite und sagte zu ihr, sie wüsste doch, dass man Manfred gelegentlich nicht ganz ernst nehmen könnte. Einige Tage später spielte Vivi mit dem  Nachbarjungen Paul. Seine Mama kam dazu und Manfred war ebenfalls auf der Straße und begann noch einmal, den Kindern die Geschichte von den Katzen mit den zwölf Beinen zu erzählen. „Stimmt das?“, wollte Vivi wissen. „Klar, das weiß doch jeder. Zwölf!“, kam die prompte Antwort von Lena, die erstaunlicherweise dabei völlig ernst blieb. Abermals verunsichert kam Vivi wiederum zu mir und noch einmal musste ich ihr erklären, dass Lena und Manfred sich einen Spaß daraus gemacht hatten, sie ein wenig zu ärgern. Zum Glück blieben Manfred und Vivi trotzdem weiterhin dicke Freunde!

 

Alle Kinder der Nachbarschaft liebten Jonny und er liebte sie ebenso. Als Louis von nebenan eingezogen war, hatte Jonny ihn auch gleich als neuen Freund akzeptiert. Wenn Louis Langeweile hatte, klingelte er des Öfteren hier und bat darum, mit Jonny spielen zu dürfen. Da er ebenfalls sehr vorsichtig und liebevoll mit unserem Jonny umging, erlaubten wir ihm das natürlich sehr gern.

 

Auch alle Kinder, die auf dem Weg zum Spielplatz hier vorbeikamen, wurden von Jonny begrüßt. Er schien sie alle zu mögen und ließ sich immer ganz geduldig von ihnen streicheln.

 

Louis und Vivi wurden sehr bald seine selbst ernannten Leibwächter. Jonny war ihr „König der Straße“, das wurde mit einer bunten Kreidezeichnung auf der Fahrbahn allen kund getan! Bis der nächste Regenschauer das Kunstwerk wieder vernichtete, hatte sich diese Nachricht ausreichend verbreitet.

 

Außerdem bekam er von Ihnen einen selbstgebastelten Thron. Das war ein Pappkarton, der aus einer Liegefläche und einer Rückenlehne bestand. Von Louis mit Aufklebern verziert und von Vivi mit Gras und Blümchen liebevoll geschmückt, wurde uns der Thron feierlich überreicht. Die beiden hatten sich wirklich  redlich Mühe gegeben, ihren „König Jonny“ zu erfreuen!

 

Wir stellten das Kunstwerk zunächst auf die Terrasse und warteten alle gespannt auf Jonnys Reaktion auf diese Ehrung. Langsam und bedächtig, wie es meistens seine Art war, kam er über den geschlängelten Gartenweg zu uns getrabt, um nachzusehen, was da auf der Terrasse auf ihn wartete. Neugierig beäugte er das Ding zunächst von allen Seiten, schnüffelte daran und schließlich hatte er sich entschieden, das gute Stück auszuprobieren. Vorsichtig hob er ein Pfötchen nach dem anderen und bestieg dann langsam und ausgesprochen würdevoll, wie es sich für einen König gehört, seinen Thron.

 

Die Kinder waren natürlich hellauf begeistert und wir freuten uns mit ihnen. Er hatte mal wieder ganz viel Einfühlungsvermögen bewiesen, unser lieber Jonny! Da sein Thron allerdings nicht wasserfest war, holten wir ihn später ins Haus. Jonny nahm ihn im Laufe des Sommers des öfteren als Schlaf- und Ausruhplatz in Anspruch. Wirklich ein würdiger König…