Die Hasenfamilie

 

 

 

Die Häsin war erschöpft aber glücklich über die Geburt ihrer Jungen. Eines kam ihr allerdings etwas eigenartig vor, denn statt des erdbraunen Fells hatte ein kleines Häschen einen schneeweißen Pelz. Ansonsten schien es allerdings zum Glück genauso munter zu sein, wie seine drei Geschwister. Also leckte sie es ebenso gründlich trocken und ließ die Kleinen erst einmal trinken. Nun musste sie schnellstens überlegen wo sie ihren Nachwuchs am besten in Sicherheit bringen konnte, denn sie wusste, gerade die neugeborenen kleinen Häschen wurden nur zu schnell die Beute von Wildschweinen oder Füchsen. Auch vor den Greifvögeln und ihren scharfen Augen musste sie sich in Acht nehmen. Es würde eine Weile dauern, bis ihr Nachwuchs selbständig sein würde. Bis dahin war sie für die Kleinen verantwortlich, und diese Aufgabe nahm sie sehr ernst. Im Augenblick musste sie ihre Kleinen erst einmal allein auf der Wildwiese lassen und das Beste hoffen, aber so schnell es ging würde sie zurückkehren und eines nach dem anderen holen.  Zunächst wollte sie aus viel Moos und Laub für ihre kleine Familie eine neue Sassse herrichten. Trocken und warm sollte der Platz sein, und dann wurde es höchste Zeit wieder auf Nahrungssuche zu gehen, schließlich musste sie selbst auch bei Kräften bleiben, um sich um ihre Jungen kümmern zu können. Das Leben der Hasen war in den letzten Jahren nicht leichter geworden. Es gab immer weniger Felder, und die Bauern versprühten mehr Gift als früher, um ihre Ernteerträge zu erhöhen. Viele Wildtiere fielen leider auch den Jägern zum Opfer. Das alles wusste die Hasenmutter nur zu gut. Eigenartig waren sie, die Menschen. Sie sprachen vom Osterhasen, der angeblich ihren eigenen Kindern im Frühling zu dem Fest, das sie Ostern nannten, bunte Eier und Süßigkeiten brachte. Bei gutem Wetter wurden diese Gaben in den Gärten versteckt, und die Kinder durften sie suchen. So ein Unsinn, wie sollten die Hasen das wohl bewerkstelligen? Einmal war sie zufällig genau an dem Tag in der Nähe gewesen und hatte sich das Spektakel angeschaut.  Unglücklicherweise hatten die Menschen sie gesehen.

 

„Schaut mal, da sitzt er, der Osterhase!“, hatte ein kleines Mädchen begeistert ausgerufen und war auf sie zugelaufen.

 

Erschrocken war sie sofort weggehoppelt und hatte sich hakenschlagend in Sicherheit gebracht. Wenn es sein musste, dann konnte sie immer noch sehr schnell sein, das wusste sie. Seitdem ging sie den Menschen möglichst aus dem Weg. Man konnte ihnen nicht trauen, fand sie, denn nur einige Monate nach diesem Frühlingsfest begann schon wieder die Jagdsaison. In der Zeit waren häufig Männer mit Gewehren unterwegs. Die kannten keine Gnade und schossen auf alles was sich bewegte und sie erwischen konnten. Ganz besonders vor denen mussten sie und ihre Jungen auf er Hut sein. Schlau und mutig sollten sie werden, ihre kleinen Häschen, und sie würde ihnen möglichst früh beibringen wie man sich am besten tarnen konnte. Zu ihrem Glück verfügten Hasen über ein ausgezeichnetes Gehör, und wenn man sich nicht mehr schnell genug entfernen konnte, wenn Gefahr drohte, dann war es das Beste, man duckte sich ganz flach auf dem Boden und rührte sich nicht, bis die Feinde fort waren. Oft klappte das, jedenfalls, wenn es Menschen waren, die sich näherten. Sie hatten ja so einen erbärmlichen Geruchssinn, fand die Häsin. War es hingegen ein Fuchs oder ein anderer ihrer natürlichen Feinde, dann kam es auf die Windrichtung an. Manchmal konnte der Geruch einen verraten. Ach, es gab noch so vieles, was ihre Jungen lernen mussten! Und was würde aus ihrem Sorgenkind mit dem hellen Fell? Das würde es viel schwerer haben als seine Geschwister, denn man konnte es ja viel leichter erkennen. Auf dieses kleine Häschen würde sie ganz besonders achten müssen. Ausgewachsene Hasen waren in der Regel Einzelgänger, daher würde irgendwann auch dieses Häschen auf sich allein gestellt sein. Aber solange sie sich noch um ihre Jungen kümmern konnte, würde sie ihr Bestes geben um sie vor allem Unglück zu bewahren, dachte sie, während sie damit beschäftigt war, für ihre Jungen ein bequemes Nest zu bauen. Endlich war sie damit zufrieden und hoppelte wieder los, um eines nach dem anderen zu holen. Als sie alle vier wieder bei sich hatte, war sie sehr glücklich. Es war spät geworden, und der Mond leuchtete am sternenklaren Himmel, als vier kleine Häschen und ihre Mutter eng aneinander geschmiegt einschliefen.

 

zurück zu:         www.autoren-adventskalender.de