Mord... in unserer kleinen Kurstadt?

 

Piet und Julia gingen zusammen in den Garten, der um diese Jahreszeit herrlich war. Es duftete vor allem nach Jasmin und nach den zahlreichen Rosen, die teilweise noch von den Eltern der Schwestern gepflanzt worden waren, und die Trudy und Hilda immer noch mit Hingabe pflegten. Alle Rosen blühten in diesem Jahr besonders  prächtig, so dass die beiden Schwestern auf ihr grünes Händchen besonders stolz sein konnten.

 

„Julia, wann wirst Du mich endlich erhören und einmal mit mir ausgehen?“, erkundigte Piet sich gerade zum wiederholten Male, als aus dem Haus ein lauter Schrei ertönte, der diese vermeintliche Idylle empfindlich störte.

 

 

 

Sofort rannten Julia und Piet los. In dem großen Salon, in dem vor kurzem alle noch in fröhlicher Runde zusammengesessen hatten, bot sich ihnen nun ein grauenvolles Bild. Bettina Brinkmeyer lag dort am Boden, und aus einer großen Kopfwunde sickerte unaufhörlich Blut. Rund um den zarten Körper hatte sich bereits eine Blutlache gebildet. Voll Entsetzen starrten Julia, Piet und auch Trudy und Hilda, die durch den lauten Hilfeschrei alarmiert sofort herbei geeilt waren, auf den leblosen Körper von Bettina Brinkmeyer herunter. Etwas abseits stand Inge, die sie gefunden und so laut geschrien hatte, dass gleich alle Bewohner des Hauses es gehört haben mussten. Herr Mertens und Frau Fischer, die gerade vorgestern angereist war, stürzten daraufhin ebenfalls erneut in den Salon.

 

„Schauen Sie besser nicht hin“, versuchte Herr Mertens Frau Fischer zurück zu halten, aber natürlich ohne Erfolg.

 

„Mir wird schlecht“, hauchte sie noch, bevor sie ihm ohnmächtig in die Arme sank.

 

„Wir müssen sofort die Polizei rufen, und niemand fasst etwas an!“, befahl Piet. Dass Bettina Brinkmeyer nicht mehr zu helfen war, hatte er sofort erkannt. Trotzdem bückte er sich noch einmal, um vorsichtshalber nach ihrem Puls zu fühlen, der allerdings keinerlei Reaktion mehr zeigte. Die anderen sahen ihm dabei wie gebannt zu, aber er schaute hoch und schüttelte nur den Kopf.

 

„Los Julia, Du bringst erst mal alle hier raus“, ordnete er weiter an, und widerspruchslos folgten alle seinem Kommando. Frau Fischer hatte sich inzwischen soweit erholt, dass sie den Salon auf eigenen, wenn auch recht wackeligen, Beinen verlassen konnte.

 

„Jemand muss jetzt sofort die Polizei anrufen, können Sie das tun?“, wandte Piet Stein sich an die zitternde Hilda. Trudy stand mit kalkweißem Gesicht neben ihr und rang ebenso um Fassung wie ihre Schwester.

 

„Ja, gewiss, sofort.“

 

„Gut danke, aber jetzt verlassen Sie bitte den Raum, alle!“, bat Piet noch einmal. Stumm folgten die Bewohner der Villa seiner Aufforderung.

 

 

 

Hilda ging auf unsicheren Beinen zum Telefon und wählte gleich den Notruf. Um die Telefonnummer der örtlichen Polizei herauszusuchen war sie viel zu nervös. Die Stimme aus der Notrufzentrale fragte Hilda nach ihrer Anschrift und versprach ihr, die Meldung sofort weiterzugeben. Dann bat der Polizist Hilda noch möglichst nichts anzufassen, und selbstverständlich dürfe auch niemand der Anwesenden das Haus verlassen. Wie in einem schlechten Krimi, schoss es Hilda durch den Kopf, während sie dem Polizisten bestätigte, dass sich selbstverständlich alle an seine Anweisungen halten würden. Die Beamten von der Mordkommission aus Billerbeck würden sich unverzüglich auf den Weg machen, aber es könne trotzdem etwa eine Stunde dauern, bis sie eintreffen konnten, erklärte der Beamte abschließend. Damit beendete er das Gespräch und legte auf. Wie benommen stand Hilda noch einige Sekunden da, unfähig den Hörer wieder aufzulegen. Schließlich war es Julia, die ihr das Telefon behutsam aus der Hand nahm. Der Schock über diesen Mord saß tief – bei allen im Haus!

 

 

Tod in der Kältekammer

 

Ein Toter wird gefunden

 

„Das kann ich nicht glauben, Ihr habt in Eurer Kältekammer eine Leiche gefunden?“, atemlos stellte Julia ihrer Freundin Annelie diese Frage. Diese bestätigte ihr noch einmal schluchzend das Gesagte.

 

„Ja, gerade ist die Polizei angekommen, die Beamten aus Billerbeck. Ein Kommissar Markus Klein bearbeitet den Fall. Er will uns alle verhören und eigentlich hätte ich gar nicht mehr mit Dir telefonieren dürfen!“

 

„Pass auf, dann machen wir lieber sofort Schluss, aber keine Angst, ich kenne den Kommissar Klein, der hat auch bei dem Mord in unserer Pension die Ermittlungen geleitet. Er macht einen recht brummigen Eindruck, aber er ist ein netter Kerl, und er weiß garantiert schon nach zwei Sätzen von Dir, dass Du gar nicht die Täterin sein kannst!“

 

„Meinst Du wirklich?“, fragte Annelie noch einmal zweifelnd.

 „Ja, ganz sicher, mach Dir keine Sorgen. Wir telefonieren später noch mal oder Du kommst vorbei, sobald Du kannst. Mach´s gut, ich denke an Dich!“, mit diesen Worten legte Julia Katz den Hörer auf.

 

 Was war nur los in diesem entzückenden, verschlafenen kleinen Kurstädtchen Bad Steenhusen?  Kurz nachdem sie selbst in der neu eröffneten Pension „Sanssouci“ angekommen und da zu arbeiten begonnen hatte, war dort ebenfalls ein Mord geschehen. Eine junge Frau, die in der Pension gewohnt hatte, war umgebracht worden. Damals, vor etwa zwei Jahren, hatte  ja ebenfalls eine Mordkommission aus Billerbeck die Ermittlungen übernommen. Mit dem Kommissar Markus Klein waren alle gut klar gekommen. Die beiden Inhaberinnen der Pension waren über die Geschehnisse natürlich sehr erschrocken gewesen und hatten zudem befürchtet, dass sich ein Mord in ihrem Haus herumsprechen und ihren guten Ruf schädigen könnte. Zum Glück war das nicht geschehen, und inzwischen lief die Pension sogar sehr gut. Die Schwestern Hilda und Trudy Ehlers hatten die Geschäftsführung weitestgehend Julia übertragen, und ihr machte der Job großen Spaß. Mit ihrer Katze Lilli wohnte sie ebenfalls immer noch in der Pension, und hier hatte sie auch den Journalisten vom „Weser-Kurier“, Piet Stein, kennen- und lieben gelernt. Die beiden erwogen sogar inzwischen sich eine gemeinsame Wohnung zu nehmen, aber sie wollten das nicht übers Knie brechen, da beide einschlägige Erfahrungen gesammelt hatten, die sie nicht gerade zu diesem Schritt ermutigten. Als Julia mit Lilli hierhergekommen war, hatte sie sich gleich in der Volkshochschule zu einem Englischkursus angemeldet und war einer Yogagruppe beigetreten, um in ihrer neuen Heimat Anschluss zu finden. In dem Sprachkurs hatte sie Annelie getroffen, und schnell waren aus den beiden jungen Frauen beste Freundinnen geworden. Annelie, die von Julia oft einfach nur Li genannt wurde, konnte wahrhaftig keiner Fliege etwas zuleide tun, das stand für Julia so fest wie das Amen in der Kirche, und das sagte sie auch zu Piet, den sie gleich anschließend über den Vorfall informierte. Die große, moderne Kurklinik, in der Annelie arbeitete, lag nicht weit entfernt von der Pension „Sanssouci“, und natürlich wäre ein weiterer Mord in Bad Steenhusen etwas worüber Piet  wieder im  „Weser-Kurier“ berichten musste. Kommissar Klein würde sich gewiss an ihn erinnern, denn Piet war damals ja auch involviert gewesen und hatte über den Mord in der Pension, in der er und Julia wohnten, einige Artikel verfasst. Auf Wunsch von Kommissar Klein und natürlich den beiden Pensionsinhaberinnen, war er dabei sehr diskret vorgegangen und hatte nur die wichtigsten Tatsachen weiter gegeben, um den Mörder in Sicherheit zu wiegen. Der Kommissar war mit Piet´s zurückhaltender Berichterstattung sehr zufrieden gewesen, aber Markus Klein war ohnehin ein guter Ermittler und hatte den Fall am Ende souverän gelöst.