Mord am Gardasee

 

Mein Name ist Rocco, und ich bin ein Kater in den besten Jahren, wie Alessio sagt, wenn ihn jemand nach meinem Alter fragt. Mein Pelz ist überwiegend schwarz, aber ich habe ein weißes Lätzchen auf der Brust und weiße Pfötchen. Auch mein Bauch und die langen Schnurrhaare sind weiß. Mein Katzenpapa heißt Alessio Zanetti, und er ist Commissario bei der Polizia. Ich bin so etwas wie sein Sergente, denn er bespricht seine Fälle immer mit mir. Natürlich nennt er das „laut denken“, aber wenn er mit mir darüber gesprochen hat, dann bekommt er schneller den Kopf wieder frei, sagt er. Nicht selten hat er dabei sogar eine Idee, wie er flüchtige Ganoven dingfest machen kann. Ich finde unsere Männergespräche ebenfalls sehr interessant, denn dabei vertraut er mir so manches an, was er sonst niemandem sagen würde. Wir beide sind einfach ein gutes Team, mein Katzenpapa und ich.

 

 

 

Ja, gemütlich und schön, so war unser Dasein - bis gestern. Stellt Euch vor, es hat in der Nacht im Hinterhof einer der üblen Spelunken am Hafen einen heftigen Streit unter Betrunkenen gegeben. Meine Freunde Matteo und Luca waren Zeugen, wie ein Mann einen anderen erstochen hat. Natürlich waren sie furchtbar erschrocken, deshalb haben sie sich aus dem Staub gemacht, sind aber später zurück gekommen, um noch einmal nach dem Rechten zu sehen.

 

„Wir wollten uns gerade die Mülltonnen vornehmen, um darin nach etwas Fressbarem zu suchen. Plötzlich flog die Tür auf, und zwei Männer stürzten aus dem Haus. Erst haben sie sich lauthals beschimpft, dann haben sie sich geprügelt und plötzlich zog der eine ein Messer. Da haben wir Angst bekommen und uns hinter den Tonnen versteckt“, berichtete Matteo aufgeregt.

 

Und Luca ergänzte: „Als wir abgehauen sind, steckte das große Messer in der Brust des Mannes, und er rührte sich nicht mehr. Er war eindeutig tot, mausetot.“

 

Ich mochte es kaum glauben, aber zusammen sind wir noch mal dorthin gelaufen, damit ich mich selbst davon überzeugen konnte, dass der Mann nicht mehr lebte. Ehrlich gesagt, ein bisschen mulmig war mir unterwegs schon zumute, schließlich hatte ich mir vorher noch nie einen toten Menschen angeschaut. Aber als wir dort ankamen, war nichts mehr zu sehen. Die Leiche war fort – einfach weg.

 

„Seid Ihr sicher, das es hier passiert ist?“, fragte ich die beiden.

 

„Aber ja, bestimmt!“, schnaubte Matteo.

 

Er war so entsetzt, dass seine Schnurrhaare noch immer zitterten.

 

„Und? Was machen wir jetzt?“, fragte Luca ratlos.

 

„Wir sollten Alessio alarmieren“, schlug ich vor.

 

Er war bei Violetta, um nach Feierabend mit ihr ein Glas Rotwein zu trinken, das wusste ich. Das machen die zwei oft, wenn in der Gelateria wenig oder gar kein Betrieb mehr ist.

 

„Wie willst Du ihm klar machen, dass vorhin hier noch eine Leiche lag, die nun aber verschwunden ist?“, fragte Matteo.

 

Das stimmte natürlich. Verflixt und zugenäht, nun passierte hier einmal etwas wirklich Aufregendes, aber wir konnten nichts tun, um es Alessio klar zu machen.

 

„Da hast Du recht“, musste ich beschämt zugeben.

 

Also verabredeten wir, die Augen offen zu halten, aber erst mal nichts zu unternehmen. Was blieb uns auch anderes übrig? Allerdings beschlossen wir, dass Luca die Bar noch eine Weile im Auge behalten sollten, während Matteo die zwei anderen Clanmitglieder informierte. Vielleicht tauchte der Mörder ja noch einmal wieder auf, so dachten wir.

 

„Würdet Ihr ihn denn überhaupt wiedererkennen?“, fragte ich Luca.

 

Der nickte und Matteo auch. „Das war ein großer, kräftiger Mann mit Glatze und einem dunklen Vollbart. Außerdem hatte er eine sehr auffällige Tätowierung am Arm. Sah aus wie eine Schlange“, erinnerte sich Matteo.

 

Na bitte, das war doch schon mal was, fand ich.